Promises of the Civil Society

Eva Stauf, Felicia Lauer und Franz Hamburger, Universität Mainz

Abstract

The European integration process mainly consists of the development of a European Single Market. Its political regulation is contradictory and conflicting as it is managed by a committee of the governments which - on a different level - operate against each other as representatives of competing nations. Beyond market and states the national citizens expect a culture of consent-orientated acknowledgement from a European civil society. This expectation has been very distinct in those countries which joined the European Union in 2004. In this contribution results are reported from a survey on representatives of Middle and East European networks of social work. They had been questioned about their experiences with aspects of the eastward expansion of the EU. It becomes apparent that the promises of the civil society are overdone and that it comes down to a balance of civil liberty, welfare state and the self-regulation of the civil society.

1 Einleitung

In seinem 1983 erschienenen Buch „Die Verheißungen der Dienstleistungsgesellschaft“ hat Peter Gross sich grundsätzlich kritisch mit den berühmten Thesen von Jean Fourastié und Daniel Bell zur Zukunft der Gesellschaft als Dienstleistungsgesellschaft auseinander gesetzt. Fourastié hatte (Paris 1963) die Dienstleistungsgesellschaft als „die große Hoffnung des 20. Jahrhunderts“ angesehen, während Bell (New York 1973) von der „postindustriellen“ Gesellschaft sprach. Die Kritik Gross’ am empirischen Sachverhalt und der begrifflichen Unschärfe der beiden Theoretiker mag inzwischen überholt sein, die Kritik an der Ausweitung der personenbezogenen und der sozialen Dienstleistungen ist aber ein Grundthema der sozialpolitischen Auseinandersetzung geblieben.

Sowohl die Verheißungen der von Gross kritisierten Fourastié und Bell als auch die von ihm bezogene Ausgangsposition werden in einem Atemzug benannt: „Die Theorie der Dienstleistungsgesellschaft [im Sinne Fourastiés und Bells, d. V.] identifiziert die Expansion der Dienstleistungen mit gesellschaftlichem Fortschritt, mit einer humanen Form der Erwerbstätigkeit, mit einer neuen Zwischenmenschlichkeit. Die Einbettung der Expansion institutioneller Dienstleistungssysteme in die vorinstitutionellen Hilfesysteme lässt die gegenteilige Folgerung zu: nämlich dass das Vordringen der Dienstleistungen gleichbedeutend ist mit einer Schwächung der vorinstitutionellen Hilfesysteme, mit einer Kommerzialisierung und Vermarktung, einer Bürokratisierung und Vermachtung des ursprünglichen, in den vorinstitutionellen Hilfesystemen praktizierten Solidarität, kurz: mit gesellschaftlichem Rückschritt.“ (Gross 1983, S. 39).

Dass von Dienstleistungen (wobei insbesondere die personenbezogenen im Blick sind) wegen ihres Beziehungscharakters eine neue Menschlichkeit erwartet wurde, hing auch damit zusammen, dass sie mit der entfremdeten Arbeit im industriellen Kapitalismus kontrastiert wurden. Die Hoffnungen resultierten aus der bloßen Antithese. Die konservative und kritische Wohlfahrtsstaatskritik war sich dagegen einig, dass nicht soziale Befreiung, sondern „Sozialherrschaft“ (Gross) zu erwarten war. Zugleich aber muss diese Kritik „ursprüngliche“ Hilfesysteme der praktizierten Solidarität hypostasieren. Diese „Ursprünglichkeit“ erweist sich aber bei genauerer Betrachtung als eine fiktive Prämisse der Modernisierungskritik, auch wenn diese gute Argumente hat. Sie übersieht, dass der Ausweitung der staatlichen Interventionssysteme die Durchkapitalisierung der Gesellschaft vorangeht und deshalb die Bedingungen für die Möglichkeit vorinstitutioneller Selbsthilfe immer unwahrscheinlicher werden.

Sowohl die Verheißungen wie auch ihre Kritik sind veraltet. Die staatlich organisierten oder garantierten Dienstleistungen haben expandiert, mehr denn je zielen Bildungs- und Sozialsysteme aktivierend auf den letzten Kern der vorinstitutionellen Selbsthilfe, auf die individuelle Selbsttätigkeit. Weil aber die Bedingungen ihrer Existenz immer schon soziale Bedingungen sind und diese gerade nicht marktlich und staatlich erzeugt werden können (obwohl mit der „Leihmutter“ eine individualisierte Form des „Lebensborns“ zur Verfügung steht), richten sich die Hoffnungen der postsozialistischen und der postindustriellen Gesellschaften auf die „Zivilgesellschaft“. Wenn sie die sozialen personenbezogenen Dienstleistungen erbringen kann, dann könnten diese frei sein von der Beherrschung durch Staat und Markt.

An diesem Punkt setzen die Überlegungen dieses Beitrags ein. Sie beziehen sich auf die Dimension der europäischen Integration und untersuchen den Prozess der Entstehung einer europäischen Zivilgesellschaft, insoweit er in den Netzwerken der Sozialen Arbeit zum Ausdruck kommt. Im empirischen Teil des Beitrags wird die Osterweiterung der Europäischen Union im Jahr 2004 unter dem Gesichtspunkt betrachtet, welche Position dabei die Organisationen der Sozialen Arbeit aus den Beitrittsländern eingenommen haben – aus der Sicht von Verbandsvertretern und -vertreterinnen. Den Ausgangspunkt der Darstellung bilden die hohen Erwartungen an „Zivilgesellschaft“, die am Ende des Staatssozialismus in Mitteleuropa entstanden sind - und als Bezugsgröße zum Vergleich - die europäische Politik für zivilgesellschaftliche Netzwerke seit dem Maastrichter Vertrag.

2 Zivilgesellschaft

Der Begriff der Zivilgesellschaft wird mannigfaltig verwendet. Er kann über Akteure, Steuerungsmedien, Funktionen, Felder, Integrationsmechanismen oder Rechtsnormen bestimmt werden. Vor allem wird er als „Abgrenzungsbegriff“ (zu Markt, Staat und Privatheit) verwendet. Gleichzeitig ist „Zivilgesellschaft“ über die Zusammenschlüsse der Marktakteure (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen) mit dem Markt, über die Rechtsförmigkeit mit dem Staat (Vereinsrecht, Steuergesetzgebung, öffentlich-rechtliche Ordnungen, Subventionen) und über die Selbstorganisationen mit nichtöffentlichen Vergemeinschaftsformen verknüpft. Unter den Bedingungen der „Netzwerkgesellschaft“ (Castells 2001) sind die Abgrenzungen zur Begriffsbildung hilfreich, zur empirischen Analyse ist die Betrachtung von Verknüpfungen wichtiger. Damit geraten die älteren Auseinandersetzungen um staatliche versus vorstaatliche Konstitution von Zivilität (Taylor 1991) eher in den Hintergrund.

Zwischen einer idealistisch-normativen Beschwörung von Zivilität oder „Gemeinschaft“ auf der einen Seite und der institutionenorientierten Zurechnung von Akteuren auf der anderen Seite positioniert Dieter Rucht die Bestimmung von Zivilgesellschaft. Grundlage ist die Geltung von zivilen Interaktionsformen, die auf Anerkennungsverhältnissen beruhen: „Die Anerkennung der prinzipiellen Gleichheit trotz Verschiedenheit und damit der Autonomie und der freien Entfaltung aller Gruppen und Assoziationen führt zu verhandlungsförmigen und/oder deliberativen Mustern, die auf Kompromisse bzw. Konsens angelegt sind. Die Grundlage für die Bereitschaft zu ‚ziviler’ Interaktion bildet die Einsicht, dass ein derartiges Handeln dem verallgemeinerungsfähigen Interesse an Gerechtigkeit und Vernunft entspringt und dieses sich in öffentlichen Prozessen der Meinungs- und Willensbildung konkretisiert.“ (Rucht 2005, S. 43).

Eine solche „Zivilgesellschaftlichkeit“ oder „Zivilität“ kann nicht erreicht werden ohne Verbindung mit einem Staat, der Freiheit, Gleichheit und Sicherheit verbürgt, und einem Markt, der die materiellen Bedingungen des Lebens sichert. Eine Zivilgesellschaft kann dann aber nicht von nationalstaatlichen Grenzen her definiert werden. Denn der Begriff wird ganz von der Vorstellung abgelöst, dass eine „Zivilgesellschaft“ als „Volk“ oder „Kulturgemeinschaft“ sich vorstaatlich herausbildet und den Nationalstaat konstituiert. Deshalb ist es kein Problem, von einer europäischen oder globalen Zivilgesellschaft zu sprechen und ihre entsprechenden Elemente empirisch zu untersuchen. Allerdings kann nicht eine bestimmte Form oder Institutionalisierung von Europa (z. B. die EU) oder eine bestimmte Akteursgruppe als die europäische Zivilgesellschaft bezeichnet werden. Dass mit „Zivilität!“ Geltungsansprüche erhoben werden, hat zur Folge, dass immer nur zivilgesellschaftliche Praktiken festgestellt werden können.

3 Zivilgesellschaft als europapolitisches Projekt

Seit dem Maastrichter Vertrag wurde sowohl seitens der Kommission als auch weiterer europäischer Institutionen, wie des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) und des Ausschusses der Regionen (AdR), die Relevanz der Zusammenarbeit mit sozialen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wiederholt unterstrichen, die Konsultationswege wurden intensiviert und im Sinne eines ‚zivilen Dialogs’ institutionalisiert.  [1] Darüber hinaus unterstützt die Kommission eine Vielzahl europäischer Netzwerke durch eine institutionelle Förderung. Ein solches core funding erhält beispielsweise nicht nur die Social Platform, sondern auch viele ihrer Mitglieder, darunter das von der Kommission ins Leben gerufene European Anti Poverty Network (EAPN), das European Network against Racism (ENAR) und das European Disability Forum (EDF). Die Kommission verspricht sich vom Einbezug zivilgesellschaftlicher Organisationen die Nutzung der in diesen Organisationen vorhandenen Expertise, und damit verbunden eine Steigerung der Qualität, der Legitimität und damit auch der Akzeptanz politischer Entscheidungen. Eine weitere Funktion zivilgesellschaftlicher Akteure, die mit dem Stichwort Agenda Setting umschrieben werden könnte, ergibt sich aus ihrer Fähigkeit, Probleme aufgrund ihrer Nähe zur individuellen Lebenswelt (‚Basis’), d.h. ‚aus erster Hand’ wahrzunehmen, zu priorisieren und entsprechend zu artikulieren.  [2] In diesem Sinne beschreibt Simsa die zivilgesellschaftlichen Akteure auch als ‚Themenpioniere’, die die Problemlagen ihrer Mitglieder überhaupt erst als Thema, d.h. als diskussionsfähigen Gegenstand und Inhalt eines öffentlichen - auch politischen - Diskurses konstruieren (Simsa 2001, S. 133).  [3] Die Vernetzung in den europäischen Netzwerken bietet die Chance, aus einer im sozialen Bereich bisher nationalstaatlich fragmentierten eine paneuropäische Öffentlichkeit herzustellen und in diesem Raum sozialpolitische Themen zu lancieren.

Schließlich beinhaltet das Prinzip der Vernetzung von der lokalen zur nationalen bis hin zur europäischen Ebene wichtige Gegengewichte zu dem bisherigen, weitgehend ökonomisch bestimmten Verlauf der europäischen Integration: Kann dieser Prozess als eine Integration ‚von oben’, von den großen Systemen, der Politik und den Konzernen beschrieben werden, impliziert die Koordination in transnationalen Netzwerken Momente der Integration ‚von unten’, d.h. von der Lebenswelt der sozial benachteiligten, kranken, behinderten, diskriminierten Menschen hin zur abstrakten Welt der Politik und Wirtschaft.  [4] Es ist gerade diese Vermittlung „von unten“ nach „oben“, die mit dem Konzept der civil society korrespondiert (vgl. Berger/Luckmann 1995, S. 76).  [5]

Jedoch werden zunehmend aufgrund der korporatistischen Arrangements, in die diese Akteure auch auf europäischer Ebene zumeist eingebunden sind, Zweifel an ihrer zivilgesellschaftlichen ‚Leistungsfähigkeit’ angemeldet. Denn mit Blick auf die institutionelle Förderung der Netzwerke geht ein nicht geringer Impuls zur Vernetzung von der Europäischen Kommission selbst aus, die über die Bereitstellung von Haushalts-Budgetlinien und die Formulierung von Kriterien der Netzwerkfinanzierung das Feld der zivilgesellschaftlichen Akteure strukturiert und die Entwicklung in diesem Bereich mitsteuert. Einerseits könnte die Förderung der Netzwerke durch die Kommission als Ausbildung zivilgesellschaftlicher Strukturen ’von oben’ verstanden werden, die alleine das Ziel der Entwicklung und des Aufbaus dieser Strukturen verfolgt. Es ist jedoch auch eine andere Interpretation möglich: So kann dieser Umstand auch als Versuch der Vereinnahmung und der Kontrolle zivilgesellschaftlicher Funktionen gewertet werden. Die Alimentierung, teilweise auch die vollständige Finanzierung europäischer Netzwerke, ermöglicht den politischen Akteuren gleichzeitig Aufsicht über die Netzwerke. Ein kalkulierter ‚Nebeneffekt’ der finanziellen Förderung ist dabei die Gestaltung des Feldes zivilgesellschaftlicher Akteure.

Konkret ist beispielsweise zu fragen, ob es sich bei der Social Platform um einen Zusammenschluss „einer sich selbst-organisierten Zivilgesellschaft oder um die Organisierung der Zivilgesellschaft“ (Boual 2003, S. 25) handelt. Mit dieser Entwicklung ist die Gefahr verbunden, dass das Legitimationspotenzial der zivilgesellschaftlichen Akteure abgeschöpft wird, ihr Einfluss jedoch einer systematischen Kontrolle unterliegt. [6] Ein weiteres Beispiel für diese Strukturierung des zivilgesellschaftlichen Feldes ist die Bündelung vieler sozialanwaltlicher Interessen zu „einer Stimme“, der Social Platform. Die Vorteile dieser Bündelung liegen auf Seiten der Kommission; aus der Perspektive der Zivilgesellschaft ist dieses Vorgehen problematisch, da hiermit die dem Konzept der civil society entsprechende Vielstimmigkeit von Problemlagen und Interessen – die sich gerade nicht von einem einzigen Akteur ‚repräsentieren’ lässt – unterdrückt wird. Ein ähnliches Vorgehen ist im Hinblick auf die gezielte Förderung plattformähnlicher Strukturen in den Ländern Mittel- und Osteuropas zu beobachten.

Europäische Netzwerke der Sozialen Arbeit benötigen also einerseits institutionelle Anerkennung (und damit auch Förderung), ihre Unabhängigkeit muss aber andererseits gewahrt bleiben, damit sie weiterhin ihre kritische Funktion gegenüber der Politik erfüllen können. Es ist derzeit noch nicht erkennbar, ob und wie diese „ständige Spannung zwischen Institutionalisierung und Unabhängigkeit“ (Boual 2003, S. 24) zugunsten der kritischen Funktion der zivilgesellschaftlichen Akteure balanciert werden kann Damit diese nicht zu „Schaltrelais der von der Kommission verfolgten Politik“ (Boual 2003, S. 27) werden, müssen die europäischen Netzwerke noch konsequenter als bisher Strategien entwickeln, um in diesem schwierigen Feld zwischen Anerkennung und Indienstnahme agieren, bestehen - und es im idealen Fall sogar für sich nutzen können. Darüber hinaus bleibt es einer Strategieentwicklung der Akteure vorbehalten, das bisher bestehende Nebeneinander von partikularen, auf den eigenen Strukturerhalt und –ausbau bezogenen Interessen auf der einen und gemeinsamen europabezogenen zivilgesellschaftlichen Interessen auf der anderen Seite aufzulösen und ein Handlungsprogramm zu erarbeiten.

Wurden europäische Netzwerke in den vergangenen Jahren teilweise euphorisch als „Modelltyp der europäischen Zivilgesellschaft“ (Boual 2003, S. 28) angesehen, so ist diese Einschätzung inzwischen einer nüchternen Perspektive auf die Leistungsfähigkeit von Netzwerken und ihre Grenzen gewichen. Dennoch stellt die Mitgliedschaft in europäischen Netzwerken eine wichtige Strategie der Wohlfahrtsakteure sowie ein Element der Entwicklung einer europäischen Zivilgesellschaft dar. Denn angesichts eines bisher untergeordneten Stellenwerts des Sozialen auf europäischer Ebene sowie der Tatsache, dass die sozialen Akteure auf nationaler wie europäischer Ebene keine politischen „Schwergewichte“ darstellen, ermöglicht die Vernetzung und Bündelung von normativem Kapital und Interessen die effektive Einmischung in einen Diskurs, der noch weitgehend einer anderen, kapitalorientierten Logik folgt. Netzwerkakteure bringen ihre Themen auf die Agenden der europäischen Institutionen und versuchen, ihren normativen Vorstellungen Geltung zu verschaffen. Auf diese Weise fördern sie die Entstehung eines sozialen, zivilgesellschaftlichen Europas und sind Garanten dafür, dass die europabezogene soziale Programmatik im Gespräch bleibt.

4 Europa versus Diakonie: Bezugspunkte deutscher Wohlfahrtsverbände

Nicht nur die Reaktionsmuster der deutschen Wohlfahrtsverbände im Prozess der europäischen Integration, sondern auch ihr Verständnis und ihre Interpretation der europäischen Zivilgesellschaft ist von ihrer normativen Verankerung beeinflusst. Wenngleich ihr Anliegen der Sache nach universal und damit international und europäisch angelegt ist und teilweise auch eine europäische ‚Partnerstruktur’ zur Verfügung steht, wirkt sich - so die Ergebnisse einer 2002-2004 durchgeführten Studie [7] - die starke nationale Organisation und die Einbindung in normative Milieus eher verzögernd auf die Beteiligung an den neuen europäischen zivilgesellschaftlichen Organisationen im sozialen Sektor aus. Zu diesen ‚organisationalen’ Trägern einer europäischen Zivilgesellschaft können insbesondere europäische Netzwerke zählen, deren Zahl mit den Vertiefungsstufen der Europäischen Integration stetig zunimmt (vgl. Hamburger et. al. 2004a).

Europäische Netzwerke der Sozialen Arbeit ermöglichen ihren Mitgliedsorganisationen Erfahrungs- und Informationsaustausch, sie erfüllen weiterhin die Funktion der Interessenvertretung und des Lobbying. Die Güter, die sie ‚produzieren’, sind solche, die im abstrakten und bislang ökonomisch dominierten europäischen Integrationsprozess rar sind, nämlich normative Konzepte, gemeinsame Überzeugungen, Solidarität. Angesichts der Kritik an der mangelnden Partizipation, Intransparenz und ungenügenden demokratischen Legitimation der europäischen Strukturen ist mit den beteiligungsorientierten Netzwerken auch die Perspektive einer Erhöhung der demokratischen Qualität von Europa verbunden.

Es ist daher nahe liegend, diese Organisationen als Promotoren einer europäischen Zivilgesellschaft zu betrachten. Für die Wohlfahrtsverbände bedeutet die Beteiligung an diesen neuen Strukturen nicht nur auf einer materiellen Ebene eine Zunahme von Komplexität, etwa im Hinblick auf transnationale Projektarbeit, den Umgang mit Projektpartnern und der europäischen Administration; mit einer Mitgliedschaft in den Netzwerken ist vielmehr auch eine Erweiterung des Rollenrepertoires verbunden (vgl. Prisching 2001, S. 45): In der Befragung von Vertreterinnen und Vertretern deutscher Wohlfahrtsakteure wurde deutlich, dass einzelne Elemente der nationalen und europäischen Rolle dabei gegenwärtig noch unvereinbar sind. Dies betrifft insbesondere das Selbstverständnis als Verband und das europäische Verständnis dieser Organisationen als NGO und als zivilgesellschaftliche Akteure.  [8] So bestehen beispielsweise vor dem Hintergrund kirchlich-konfessioneller Leitbilder gegenüber der mit dem Begriff der NGO verbundenen, „ein bisschen bedrohliche[n] Welt von Zivilgesellschaft“ auf Seiten einiger Wohlfahrtsakteure „Berührungsängste“ (C 2, 8: 22). Darüber hinaus können im Hinblick auf die deutschen Wohlfahrtsverbände, die eher dem konservativen Spektrum zugeordnet werden können, Vorbehalte gegenüber einer zivilgesellschaftlichen europäischen ‚Netzwerkszene’, die „eher zu den sozialdemokratischen Segmenten zugeteilt“ (C 2, 11: 13-14) werden kann, vermutet werden. Die deutschen Wohlfahrtsakteure denken daher im Hinblick auf europäische Vernetzung noch eher in verbandsinternen als in verbandsübergreifenden Kategorien. Vor diesem Hintergrund verweist die hohe Priorität des Familiennetzwerkes aus der Perspektive der beteiligten deutschen Wohlfahrtsakteure auf das Modell einer an die eigene ‚Familie’ gebundenen Netzwerkidentität.

Es erscheint jedoch fraglich, ob dieses Modell der Verteidigung ‚alter’ Sinnbestände und Strukturen alleine erfolgreich ist und ob es damit gelingt, zukünftig europäische Diskurse zu beeinflussen (vgl. Kohler-Koch 2002, S. 10). So weist Berthold Becher darauf hin, dass es in der Diskussion um den rechtlichen und sozioökonomischen Status der Wohlfahrtsakteure langfristig nicht mehr reichen wird, „denkmalschützerisch“ (Becher 2002, S. 2) zu argumentieren und eine „schutzwürdige Sonderrolle“ (ebd.) für sich zu reklamieren. Vielmehr müssen die deutschen Wohlfahrtsakteure auf der Grundlage ihrer Leitbilder ihre Relevanz als soziale Akteure und ihren spezifischen Beitrag zum Aufbau einer europäischen Zivilgesellschaft entwickeln.

Eine Voraussetzung für die intensivere Beteiligung an den zivilgesellschaftlichen Strukturen stellt die Herausbildung einer europäischen Identität dar, die eine Existenz in der neuen europäischen ‚Sinnwelt’ ermöglicht. Auch den Verbänden fehlten hierfür jedoch bislang noch die Objektivationen, d.h. die Bezugsgrößen. Durch die Formierung einer Europäischen Union sind zwar die Voraussetzungen für die Entwicklung eines Objektbezugs entstanden, jedoch steht die Entwicklung einer europäischen Identität erst am Anfang. Institutionalisierte und normative Ordnungsvorstellungen als Objekte kollektiver Identitäten müssen sich gerade für die sozial und kulturell relevanten Bereiche von Europa noch formieren (vgl. Lepsius 1999). Der Ende der 1990er Jahre erhobene Befund, dass es einem sozialen und zivilgesellschaftlichen Europa immer noch an der „realen Referenz“ (Klaus Eder) fehle, ist daher immer noch gültig. Gleichwohl erscheinen die Voraussetzungen und Bestandteile eines Europas, das über eine Wirtschafts- und Währungsunion hinausgeht und politische wie gesellschaftliche Teilhabe gewährleistet, heute konturierter. Hierzu leisten europäische Netzwerke der Sozialen Arbeit einen wichtigen Beitrag, indem sie ein Modell von Europa entwerfen, das sozialen und demokratischen Rechten Vorrang vor der Rationalität des Marktes einräumt. Das Scheitern des Entwurfs einer europäischen Verfassung ist in dieser Hinsicht besonders schwerwiegend. Falls dieses Scheitern ein Wendepunkt der europäischen Entwicklung gewesen ist, es also bei einem Binnenmarkt bleibt und der Weg zu einer politischen Union nicht weitergegangen werden kann, dann wird sich das Fehlen einer materialen Objektivation in einer Verfassung besonders nachhaltig bemerkbar machen.

Dennoch ist für die primär weltanschaulich geprägten deutschen Verbände eine ‚Anschlussfähigkeit’ an die europäischen zivilgesellschaftlichen Strukturen nicht per se gegeben. Vielmehr müssen sie die teilweise als Widerspruch oder Konflikt erlebte Differenz zwischen einem traditionellen, weltanschaulich geprägten Verband einerseits und dem europäischen Verständnis als NGO auflösen. In diesem Zusammenhang kann ein Modell der mehrfachen Identität oder „Mehrsprachigkeit“ (Simsa 2001, S. 305) vorgeschlagen werden, das eine - auch strategische - Nutzung der verschiedenen Identitäten einschließt, die sich heute teilweise gegenseitig blockieren. In der Untersuchung wurde deutlich, dass ein Weg dieser Identitätserweiterung darin besteht, die in der verbandlichen Tradition – beispielsweise in der Perspektive der Internationalisierung oder Ökumene - gegebenen Anknüpfungspunkte für ein europäisches Engagement zu aktualisieren. Im Hinblick auf den Aspekt der übergreifenden Vernetzung sind, so ein weiteres Ergebnis der Studie, ‚schwache’ Organisationskulturen förderlicher als (ab)geschlossene und exklusive Verbandskulturen. Schließlich zeigte sich, dass auch das Verbandsprofil bzw. Leitbild selbst die Anschlussfähigkeit an die europäischen zivilgesellschaftlichen Strukturen beeinflusst. So verfügt beispielsweise der Paritätische (DPWV) über keine originäre europäische Partnerstruktur, dennoch ist er stärker als andere Verbände in die europäische Netzwerklandschaft eingebunden. Dies lässt den Schluss zu, dass das Verbandsprofil – Pluralität und Vielfalt, Eigenständigkeit der Mitglieder, gegenseitige Toleranz – möglicherweise besser als andere, weltanschaulich einheitlichere oder konfessionell festgelegte Verbände - in das europäische Verständnis der Zivilgesellschaft ‚passt’ und diese Übereinstimmung für eine Mitgliedschaft in den europäischen Netzwerken produktiv genutzt werden kann. Auch im Hinblick auf die Entwicklung und den Ausbau von vernetzten Strukturen in Mittel- und Osteuropa stellt das Verbandsprofil offenbar einen ‚Wettbewerbsvorteil’ dar. Denn obwohl der Paritätische zunächst nicht über eigene Strukturen in den mittel- und osteuropäischen Ländern verfügte, ist es ihm gelungen, innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums Strukturen aufzubauen. Mit der Arbeitsgemeinschaft der Verbände Sozialer Organisationen (AG WRZOS) in Polen wurden beispielsweise Strukturen geschaffen, deren Mission und Ziele weitgehend die des Paritätischen spiegeln.  [9] In diesem Zusammenhang ist möglicherweise auch relevant, dass der Paritätische gerade aufgrund seiner Werte, aber auch der Tatsache, dass er nicht in den sozialistischen Systemen existierte, von einem besonderen Legitimationsvorschuss als unbelasteter, demokratischer, zivilgesellschaftlicher Akteur profitieren kann.  [10] Weil die hier sichtbar werdenden Elemente von Zivilität weder von einzelnen Religionen noch von einzelnen Sozialen Bewegungen für sich reklamiert werden können, vielmehr in menschenrechtlich fundierten demokratischen Verfassungen synthetisiert worden sind, ist das Fehlen einer europäischen Verfassung, die diesen Namen verdient, gravierend.

5 Von der „Euro-phorie“ zum modernen Pragmatismus:
Die Integration der mitteleuropäischen Zivilgesellschaft

In den Anfängen des neuen Europas war die Abkehr von den europäischen „Bruderkriegen“ und der Antikommunismus die Basislegitimation für die Mitte des 20. Jahrhunderts entstehende „Wirtschaftsgemeinschaft“. Diese Legitimation wurde allmählich aufgebraucht und durch den Hinweis auf wirtschaftliche Prosperität und demokratische Freiheits- und Sozialordnung ersetzt. Für die zivilgesellschaftlichen Organisationen jenseits des „Eisernen Vorhangs“ fungierte „Europa“ als glänzender normativer Bezugspunkt eines demokratischen Gesellschaftsentwurfs und als Gegenentwurf zu den sozialistischen Regimes. Die „europhile“ und wertbezogene Orientierung mobilisierte die Nichtregierungsorganisationen bereits früh, ihre transnationalen Beziehungen auszugestalten, um die Anbindung an Europa auszudrücken und umzusetzen. Dabei konnten sie durchaus auf längere Traditionen zurückgreifen (vgl. Szabó 2004).

Durch die Osterweiterung der Europäischen Union (EU) am 1. Mai 2004 konkretisierte sich die Teilhabe an „Europa“ in rechtlicher, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Der Beitritt zum europäischen Wirtschafts- und Politikraum modifizierte die bestehenden Beziehungsgefüge – auch für die zivilgesellschaftlichen Organisationen in den mittel- und osteuropäischen Ländern (MOE).

Nach einer Phase unterschiedlicher Kontakte erlebte die transnationale Zusammenarbeit einen Institutionalisierungsschub, der für beide Seiten mit Erwartungen, erfüllten Hoffnungen sowie mit Enttäuschungen verknüpft war, wie die Ergebnisse aus Gesprächen mit europäischen und osteuropäischen Akteuren zeigen.  [11] Im Zuge dieses Institutionalisierungsprozesses entstehen für die new member-NGOs sowie die europäischen Netzwerke spannungsreiche Herausforderungen: Sie müssen ihre Erwartungen und gegenseitigen Zuschreibungen vor dem Hintergrund der politischen Integrationsaufforderung bei gleichzeitiger Ressourcenungleichheit der Akteure aneinander angleichen und miteinander reflektieren. Die Ergebnisse aus den Gesprächen zeigen, dass die Auseinandersetzung über die Gestalt einer europäischen Zivilgesellschaft erst ihren Anfang genommen hat.

Inwieweit zivilgesellschaftlicher Akteure aus den Mitgliedsstaaten an der Gestalt einer europäischen Zivilgesellschaft partizipieren, mit welchen Erwartungen sie die Europaarbeit unterlegen, wie sie ihr „nationales Kapital“ einsetzen und transformieren können, kann nicht unabhängig von den nationalen Rahmenbedingungen betrachtet werden. Lenkt man den Blick auf „alte Mitgliedsstaaten“, so zeigt sich am Beispiel der deutschen Organisationen Sozialer Arbeit, dass sie sich im Hinblick auf Europa zunächst abwartend verhielten, da ihnen die nationale Einbettung in das sozialpolitische Arrangement diese Haltung ermöglichte (vgl. Lange 2001; Loges 1993). Erst durch drohende europäische Wettbewerbsregelungen bewegten sich die deutschen Organisationen Sozialer Arbeit und verteidigten ihre Position auf europäischer Ebene. Nunmehr ist die Europaarbeit deutscher Organisationen Sozialer Arbeit in eine intensivere und versachlichte Phase eingemündet (vgl. Lange 2001; Hamburger, Stauf, Lauer 2002), wenngleich die strategische Ausrichtung und strukturelle Verankerung der Europaarbeit noch am Anfang steht (vgl. Becher 2001).

Aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungspfade in den Nationalstaaten sind für die NGOs aus den MOE-Staaten andere Phasen, Motivationen und Umsetzungsbestrebungen zu erwarten. Die unterschiedlichen Zugänge und Partizipationskulturen lassen sich für die Europa konstituierenden Einheiten der Nationalstaaten nachzeichnen (Herrmann, 1998). Vor dem Hintergrund der historischen Besonderheit der Transformationsstaaten und der damit verknüpften spezifischen Rolle der zivilgesellschaftlichen Strukturen kann - im Gegensatz zu den deutschen Akteuren - eine vergleichsweise euphorische Anfangsphase konstatiert werden, die in einer ernüchterten, wenngleich professionellen Europaarbeit mündet.

Die zivilgesellschaftlichen Organisationen aus den mittel- und osteuropäischen Staaten trafen, wie die Ergebnisse der Interviews zeigen, hoch motiviert mit umfassendem Wissenstand in „Europa“ ein und sahen sich mit relativ unwissenden europäischen Akteuren in Brüssel konfrontiert (vgl. A1, S. 5). Die MOE-Akteure erlebten, dass ihr Europa-Wissen auf kein entsprechendes Wissen über die Situation in ihren Ländern traf. Dieses Ungleichgewicht an Wissen „übereinander“ verärgerte die MOE-Akteure, da europäische Experten nicht wussten, „what they are talking about“ (B 1, S. 26) und unzureichend über die Lage in den MOE-Ländern informiert waren (vgl. A 2, S. 10). Dieses Informationsgefälle bestätigen die befragten europäische Akteure, die im Gegenzug umstandslos anerkennen, dass „die NGOs aus den mittel- und osteuropäischen Ländern ‚überproportional gut informiert’ sind und über ‚herausragende Sprachkenntnisse’ verfügen“ (A 1, S. 5), „ihre besten Leute nach Europa entsenden“ (A 1, S. 8), häufig mit „internationaler Ausbildung“ (A 1, S. 5). Dieses professionelle Profil verdeutlicht, dass die Erwartung enttäuscht wurden, die neuen Mitglieder „in die Tasche stecken“ zu können“ (ebd.).  [12]

Diese differierenden Wissensbestände werden sowohl an den politischen Institutionen der EU sowie an Akteuren einer „organisierten europäischen Zivilgesellschaft“ verdeutlicht (vgl. Knodt/Finke 2005) verdeutlicht: „Die GD hatte damals keine blasse Ahnung, was an Zivilgesellschaft existiert“ (A 4, S. 15). Die (befragten) Kommissionsvertreter delegieren diesen Vorwurf an die europäischen Netzwerken: Sie werden als „nicht auf der Höhe der Aufgaben“ im Erweiterungsprozess beschrieben; wohingegen die Europäische Kommission in der Selbstbeschreibung als Vorreiter konstruiert (Man habe sich „den Ländern früh geöffnet“, A 6, S. 19).

Für die europäischen Netzwerke liegen keine repräsentativen Ergebnisse vor, wie sie sich auf die Erweiterung vorbereiteten. Eine umfassende Analyse der unterschiedlichen Netzwerktypen im sozialen Sektor kann hier nicht erfolgen, vielmehr sollen Tendenzen aufgezeigt werden, wie sich die europäischen Akteure im Erweiterungsprozess positionierten. Viele der europäischen Netzwerke befanden sich in einem Spannungsfeld: Die europäische Förderphilosophie beschränkte die Mitgliedschaft auf die geographisch-begrenzte EU.  [13] Einige Netzwerke kompensierten dies, indem sie vorab „abgeschwächte“ Formen einer Mitgliedschaft (associate member/ observer o.ä.) einführten, um auf diese Weise eine frühzeitige Einbeziehung von NGOs aus den MOE-Ländern zu ermöglichen. Dennoch überrascht es nicht, dass die relativ jungen europäischen Netzwerke erst Mitte der 90er Jahre die Kontakte nach Osteuropa aufnahmen und intensivierten.  [14]

Das „EU-15-Korsett“ der europäischen Netzwerke konnte erst durch den Beitritt und die Erweiterung auf die EU-25 gelöst werden. Die europäischen Netzwerke sahen sich vor diesem Hintergrund herausgefordert, in relativ kurzer Zeit Partner in den neuen Mitgliedsstaaten zu identifizieren, um die „EU-25-Netzwerkerweiterung“ voranzutreiben. In der Vorbereitung auf die Erweiterung entwickelten die europäischen Netzwerke Handlungsrationalitäten, um ihre Organisationsstrukturen an diese Herausforderungen anzugleichen. Wie eine Webrecherche ausgewählter Mitglieder der Social Platform zeigt (Hamburger/Lauer/Stauf 2004b), bearbeiteten eine Vielzahl der Netzwerke den Beitrittsprozess durch die Etablierung von Arbeitsstrukturen (Enlargement-Officer, Working Groups etc.), sie verschaffen sich in Form von Mappings Wissen über die Situation der NGOs in den jeweiligen Ländern (z.B. Social Platform, FEANTSA, Caritas Europa, ILGA). Sie führen Veranstaltungen in den Ländern durch, um Partner zu gewinnen, entwickeln „Twinningmodelle“ sowie spezifische Serviceangebote, um auf die Bedarfe der neuen Mitglieder einzugehen. Das Wissensdefizit europäischer Akteure wird in diesem Anpassungsprozess abgemildert und ermöglicht den Netzwerken eine realistische Sicht auf die nationalen Kontexte der neuen Mitglieder sowie deren Interessen und Erwartungen.

Im europäischen Club

Der Betritt wird von beiden Akteurs-Perspektiven nicht als Beginn der transnationalen Zusammenarbeit gewertet, obgleich der EU-Beitritt einen push darstellte, der die transnationalen Kooperationen institutionalisierte und vertiefte. Dieser Prozess der Institutionalisierung verlangte den Akteuren Anpassungsleistungen ab (vgl. A 2, S. 11), für beide Seiten bedeutet die transnationale Vernetzung aber auch einen Zugewinn: Die europäischen Netzwerke lösten durch die Integration der MOE-Organisationen das Versprechen ein, als repräsentative europäische Akteure zu agieren. Insofern steigerten sich „Marktwert“ und Attraktivität von MOE-Organisationen. Für die zivilgesellschaftlichen Organisationen stieg ebenfalls der Marktwert „Europas“ und damit einhergehend die Attraktivität europäischer Kooperationen, da nun europäische Themen auf nationaler Ebene umfassender diskutiert werden konnten (vgl. C 2, S. 52). Zugleich befähigt der eigenständige Zugang zu europäischen Politikprozessen und Netzwerken die NGOs, nationale Informationsdefizite zu überbrücken (vgl. A 4, S. 14). In Bezug auf die Netzwerkarbeit erlebten die MOE-Akteure den Zugang als relativ offen, da sie aus inhaltlichen und legitimatorischen Gründen „gebraucht“ wurden (vgl. A 3, S. 13/ A4, S. 14, A 2, S. 10). Doch wie konnten nun die gegenseitigen Erwartungen an die „erweiterte Europaarbeit“ erfüllt werden?

Europa ernüchtert: Am Ort der Verheißung

Nachdem die Erweiterung vollzogen ist, weicht die Europa-Euphorie der Ernüchterung und der Bearbeitung konkreter Probleme. Die „überzogenen Erwartungshaltungen“, die an europäische NGOs geknüpft wurde, schleifen sich an der Realität Brüssels und des europäischen Mehrebenensystems ab (vgl. A 1, S. 5). Die MOE-Akteure müssen erkennen, dass Europa kein „Paradies“ ist und weder der Beitritt noch die europäischen Netzwerke „alle Probleme lösen“ können (C 1, S. 49). Das visionäre Bild Europas muss in die Programmatik und Pragmatik der Europäischen Union überführt werden. Auch die Netzwerkakteure in Brüssel schildern die enttäuschten Erwartungen ihrer osteuropäischen Mitglieder: Die Vorstellung von einem entscheidungskräftigen Brüssel als einem Ort, an dem „viel passiert“, weicht der Erkenntnis, dass Kompetenzen zu großen Anteilen auf der nationalen Ebene verankert bleiben. Dies löste eine spürbaren Frustration und Enttäuschung aus, da man die gewünschten Veränderungen nicht kurzfristig erreichte (vgl. A 8, S. 23).

Der Ernüchterungs- und Versachlichungsprozess wird ferner durch die Konfrontation mit den spezifischen Strukturen des europäischen Felds der Netzwerke verstärkt. „Brüssel“ stellt sich für „Newcomer“ als schwer zugänglich dar: Die Zugangsbarrieren manifestieren sich in der „eigenen Kultur der Europaarbeit“, die die Akteure über ein „specialistic talking“ (B 1, S. 28) - oder zugespitzter formuliert - über eine „Mafiasprache“ vergemeinschaftet (A 1, S. 8). Diese Besonderheit (vgl. A 2, S. 10) des Brüsseler „Netzwerkfilzes“ muss kennen gelernt werden – und dies geht nur vor Ort (vgl. A 1, S. 8). Zusätzlich zur Kenntnis Brüsseler Verwobenheiten benötigen die Newcomer ergänzend nationale Beziehungsnetze, die in Brüssel ebenfalls eine zentrale Rolle spielen und von den osteuropäischen Akteure erst aufgebaut werden müssen (vgl. A 2, S. 11). Die Beteiligung an „Brüssel“ ist folglich voraussetzungsreich und verlangt nach einer umfassenden Kapitalausstattung der Akteure.

Zugleich wird in den unterschiedlichen Politikfeldern die Balance zwischen der Konkurrenz und Kooperation kontinuierlich austariert, neben einem hohen Grad an Verflechtung, Mitgliedschaften, informellem Austausch und Kooperationen stehen die zivilgesellschaftlichen Akteure in einem Wettbewerb um „Kapital“: Sie konkurrieren um Zugänge zu den politischen Institutionen, um Fördermittel und „soziales Kapital“. In diesem Konkurrenzkampf sind „newcomer“ zunächst „Habenichtse“ (A 6, S. 20), die sich ihr Standing erkämpfen müssen. Diese Ungleichheit im Zugang reproduziert sich in den europäischen Netzwerken, die „stärkere“ und „schwächere“ Mitglieder unter ihrem Dach vereinen. Denn auch wenn sich Europaakteure solidarisieren, da sie sich dem gemeinsamen Leidensdruck ausgesetzt sehen, „zuhause“ unverstanden zu bleiben und man ihnen unterstellt, in „Cocktails zu schwimmen“ (A 6, S. 20), evoziert der Blick auf die ungleiche Position der Akteure die Frage, wie europäische Netzwerke dieses Ungleichgewicht bearbeiten.

Einen weiteren „Schock“ erleben die zivilgesellschaftlichen Akteure, die sich traditionell meist als Gegengewicht zu staatlichen Akteuren verstehen, auch durch die finanzielle Abhängigkeit europäischer Netzwerke. Der Eindruck aus der Ferne, mit „sophisticated networks“ oder „Heiligen“ (A 4, S. 14) zu arbeiten, verliert sich für die MOE-Vertreter in der Nähe. Der Glanz der Netzwerke erlischt, da sich die Anziehungskraft durch das Privileg der dauerhaften Förderung durch die EU nährt (A 4, S. 14). Dieses Privileg impliziert Nähe zu der Europäischen Kommission und dies wiederum aktualisiert Ängste und Kritik der osteuropäischen Akteure: Die Erwartung, auf eine europäische Zivilgesellschaft unabhängiger Akteure zu treffen, wird enttäuscht. Diese Erkenntnis ist für osteuropäische NGOs „schwer zu verdauen“ (A 4, S. 14). Aber es gelingt dessen ungeachtet, die erlebte Enttäuschung auf der nationalen Ebene in „Kapital“ zu verwandeln. Denn hier zahlt sich die Nähe zu den europäischen Institutionen und europäischen Förderprogrammen; der europäische Rückenwind ermöglicht es, den Anspruch auf eine nationale Förderung der NGOs zu unterstreichen (vgl. C 2, S. 51).

Die finanzielle Abhängigkeiten der NGOs und Netzwerken wirken sich aus der Perspektiven der Befragten zugleich auf die Agenda der Netzwerke aus: Eine Beeinflussung der europäischen Netzwerke wird antizipiert und kritisiert, „where you get money from you get also requirements (C 2, S. 51). Dennoch wird unter Berücksichtigung dieser Kritik der Beitritt zu europäischen Netzwerken nicht ausgeschlossen, sondern als strategisches Handlungsmuster charakterisiert: „for us it was instrumental“ (B 4, S. 36).

Einflussnahme auf gleicher Augenhöhe?

Die erreichte „Visibilität“ mittel- und osteuropäischer NGOs in der europäischen Netzwerkszene wird noch als unzureichend eingeschätzt (A 1, S. 8), die Interessen der neuen Mitglieder werden noch nicht ausreichend repräsentiert. Dieses Ziel wird mit der materiellen Unsicherheit der MOE-Organisationen konfrontiert, die eine aktive Beteiligung an der europäischen Netzwerkarbeit beeinträchtigt: Die neuen Mitglieder sind „vom Reisetropf“ der Netzwerke abhängig – ihre vollständige Partizipation an Brüssel ist insofern nur eingeschränkt möglich (A 1, S. 8).  [15] Die Verheißung einer gemeinsamen europäischen Netzwerkarbeit erfährt bereits hier ernüchternde Begrenzungen.

Die befragten Vertreter aus den MOE-Ländern differenzieren diese Problematik: Die strukturell schwächere Ausstattung wird als Problem thematisiert, andererseits werden die formalen und transparenten Beteiligungsstrukturen in den europäischen Netzwerken geschätzt („they stick to the rules and statutes“, C 3, S. 53) und die Berücksichtigung spezifischer Themen gelobt (vgl. C 2, S. 51). Einige der Organisation sind in Entscheidungsgremien der Netzwerke vertreten und können Einfluss auf die Netzwerkarbeit nehmen (B 4, S. 36/ B 5, S. 38). Die europäischen Netzwerkvertreter in Brüssel betonen gleichermaßen die formale Partizipation mit den damit verknüpften Rechten (vgl. A 8, S. 24), die teilweise mit finanzieller Reiseunterstützung einhergeht. Einige Netzwerkakteure unterstreichen den Entwicklungscharakter der Beteiligung, da die Partizipation der neuen Mitglieder noch nicht vollständig erreicht sei: „for the moment they speak less, it takes time that they come and participate (A 7, S. 22).  [16] Gleichwohl erkennen die neuen Mitglieder ihren Mehrwert, den sie für europäische Netzwerke bereithalten: „We brought some fresh energy in the network, it helped them to bring up new issues“ (C 1, S. 47).

Die strukturelle Herausforderung, in Netzwerken kleinere und größere, ärmere und reichere Mitglieder unter dem Dach des Netzwerks zu integrieren, wird von den Netzwerkvertretern durchaus kritisch reflektiert, dennoch wird diese Ungleichheit nicht als „West -Ost-Differenz“ interpretiert (vgl. A 8., S. 24). Auf der strukturellen Ebene ist der Befund sicherlich zutreffender, dass europäische Netzwerke wegen ihrer demokratischen Organisationsstrukturen vor Vorurteilen und Zuschreibungen gefeit sind. Doch wie erleben die neuen Mitglieder diese friedliche Integration auf der personellen Ebene?  [17]

„strange animals“

Die befragten MOE-Vertreter in den MOE-Ländern verorten paternalistische Einstellungen in den europäischen Netzwerken in der Vergangenheit und verweisen auf die gegenwärtig erreichte partnerschaftliche Zusammenarbeit. Retrospektiv betrachtet sahen sich die Befragten durchaus mit Vorurteilen und paternalistischer Überheblichkeit einzelner Personen konfrontiert. So erlebten die neuen Mitglieder unterschiedliche Umgangsformen im Netzwerk, „we were frankly treated in different ways from different people“ (B 4, S. 34). Einige Personen wiesen „paternalistic attidude“  [18] auf und behandelten die osteuropäischen Akteure „like a strange animal“ (B 4, S. 35). Die „really bad experiences“ gehen mit „ignorance and lack of knowledge“ in Bezug auf Mittel- und Osteuropa einher, wie auch die bereits beschriebene Unkenntnis der westeuropäischen Akteure belegte (B 4, S. 34). Diese Erfahrungen werden als „quite uncomfortable“ charakterisiert (C 2, S. 52).

Diese Haltungen zeigten sich in der Befragung häufiger in Netzwerken, die sich „kontroverser“ Themen (wie z.B. Frauenpolitik, Rassismus) annehmen oder ein breites Themenspektrum abdecken müssen, das differierende Perspektiven anerkennt und im Netzwerk integriert. Bei Netzwerken, deren Thematik eine größere Gemeinsamkeit und einen stabilen Konsens der Mitglieder impliziert, gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den „equal partners“ reibungsloser, da um politische Positionen und konsensuale Verständigung nicht gerungen werden muss: Die Arbeit mit behinderten, erkrankten oder obdachlosen Menschen stellt die Akteure in allen europäischen Ländern vor sehr ähnliche Herausforderungen und führt zu ähnlichen Anliegen und Forderungen. Dies erleichtert eine partnerschaftliche Arbeit, da man sich „in the same situation“ befindet, einen gemeinsamen „level of understanding“ (B 5, S. 39) teilt und „the same language as the Westeuropean partners“ (C 1, S. 47) spricht. Die Gemeinsamkeiten stärken offenbar die reziproken Beziehungen im Netzwerk: “we really feel that we are friends” (B 3, S. 32), „it creates solidarity (A 5, S. 18).

Die Ambivalenz europäischer Verkettung

In den Beitrittsländern ist die Ausgangssituation zwar unterschiedlich, aber überall kämpfen seit 1989 die alten und neuen Organisationen um Einfluss und Anteile an der Agenda. Die zivilgesellschaftlich orientierten Organisationen bleiben auf kritischer Distanz zum Staat, dessen autoritäres staatssozialistisches Verhalten noch nicht vergessen ist. Der Modus der europäischen Netzwerkbildung bringt nun neue Herausforderungen für die Organisationen mit sich, die sich dezidiert staatsfern definieren. Die Beziehungen zum europäischen Feld der Netzwerke bleiben indessen nicht ohne Folgewirkung im nationalen Herkunftsfeld. Im Gegensatz zu Deutschland beispielsweise treffen die europäischen Netzwerke in einer Phase aktiver Partnersuche auf Felder, die von fachlichen Innovationspotenzialen bei gleichzeitig offenen Organisationsstrukturen gekennzeichnet sind. Die ungeklärten Rahmenbedingungen für die NGOs (wie der rechtlichen Status, finanzieller Sicherheit etc.) produzieren Konkurrenzen und Konflikte zwischen den NGOs von Ländern, deren Regierungen das Heft in der Hand behalten wollen

Im Zuge der Institutionalisierung der europäischen Netzwerkarbeit treffen die Netzwerke folglich auf nationale Felder, die bislang nur partiell oder rudimentär thematische Dachorganisationen entwickelten. Dies stellt insbesondere die europäischen Netzwerke vor Herausforderungen, weil sie ausschließlich nationale Organisationen und Plattformen als Mitglieder aufnehmen bzw. die Bildung einer nationalen Plattform voraussetzen (dies trifft z.B. auf das EAPN, das EDF und die EWL zu). Diese Netzwerke fanden zumeist keine Dachorganisationen vor und initiieren Prozesse, um die benötigten nationalen Plattformen (bei Organisationen für Behinderte, von Frauen oder zum Thema Armut) zu gründen.

Dieses Vorgehen evoziert im Feld der jeweiligen NGOs eine erhebliche Dynamik, in der die unterschiedlichen Interessenslagen zu Kämpfen um Positionen und Einfluss in diesem Prozess führen. Da sich die Ausbildung einer zivilgesellschaftlichen Infrastruktur im Prozess der Institutionalisierung befindet, erscheinen die Konflikte schärfer als dies in Deutschland beispielsweise der Fall ist.  [19]

Am Beispiel des Europäischen Armutsnetzwerks (European Anti-Poverty Network, EAPN) können durch die Perspektiven der Beteiligten erste Einschätzungen zu diesem Prozess gewonnen werden. In Polen gab es bereits vorab das Interesse, eine Vernetzung in diesem Themenbereich anzustreben. Da sich EAPN in Polen relativ früh engagierte und ferner die Bildung einer nationalen Plattform nicht erzwingen wollte (vgl. A 4, S. 16), erlangte das Netzwerk hohe Akzeptanz bei den polnischen NGOs im Armutsbereich. Das EAPN Netzwerks wird von den nationalen Akteuren als „coordinator“, nicht aber als „driving force“ wahrgenommen (B 1, S. 28), da die bestehenden Impulse aus dem Feld angemessen in eine Plattformbildung aufgenommen und damit die Autonomie der Einwicklung gewährleistet werden konnte. In der Tschechischen Republik begannen zunächst die nationalen NGOs selbst, eine Vernetzung in ihrem Land anzuregen. An dieses Vorhaben war zugleich der Wunsch der NGOs geknüpft, Mitglied in einem europäischen Netzwerk zu werden: Die NGOs trafen die Wahl und entschieden sich für das EAPN. Die Kontaktaufnahme erfolgte von den NGOs aus: „Wir kamen auf das EAPN zu, aber wir haben auch das Vertrauen bekommen“ (vgl. D 2, S. 71).  [20] Die ungarischen NGOs schildern die Entstehung des ungarischen Armutsnetzwerks als Brüssel-initiierten Prozess, der aber konfliktfrei abgelaufen sei, wobei das Netzwerk vor der Aufgabe steht, regionale Abteilungen zu bilden, um die kleineren Organisationen einbinden zu können (C 2, S. 50).

Diese Einschätzungen zeigen, dass die Berücksichtigung bestehender Ideen und Impulse in den jeweiligen Ländern, ergänzt durch eine Zurückhaltung der europäischen Netzwerke, den Dynamiken in den NGO-Sektoren gerecht wird. Das EAPN erfährt darüber hinaus eine hohe Anerkennung, da das europäische Netz im Rahmen der Nationalen Aktionspläne die NGOs aktiviert und die neuen nationale Plattform unterstützt: „The most important advantage is that EAPN activate the national level, they don’t let you sit here“ (C 2, S. 51).

Entgegen den relativ konfliktfreien Entstehungsprozessen der drei nationalen Armutsnetzwerke kam es in anderen Themenfeldern, wie am Beispiel des European Disability Forums (EDF) und der European Women´s Lobby (EWL) zu erkennen ist, durchaus zu konfliktären Situationen zwischen den interessierten Akteuren und NGOs.

In Polen bestanden bereits Beziehungen zum European Disability Forum (EDF), die zu der Gründung des Polish Disability Forums (PDF) führten. Allerdings verursachte die Exklusivität der Kontakte zu ausgewählten Organisationen und die Einschränkung, nur nationale Organisationen in das PDF aufzunehmen (und damit keine kleineren, regionalen und lokalen Organisationen), erhebliche Konflikte. Das nunmehr etablierte Polish Disability Forum charakterisiert das EDF in diesem Konfliktfalls als „Moderator“, der die nationalen Akteure unterstützt und zwischen den insidern und outsidern vermittelte („we get a big support and understanding“, B 2, S. 30). Demgegenüber klassifizieren polnische NGOs den Prozess der Plattformbildung als „inakzeptable Vorgehensweise“ (A 4, S. 15) und als undurchsichtiges Manöver („vague how PDF was established“, B 5, S. 38), da sich eine kleine, etablierte Gruppe zur Plattform erklärte und kleinere Organisationen ausgegrenzt wurden („kind of excluding many organisations“ B 5, S. 38). Die Plattform wird als „Clique“ charakterisiert, die sich von anderen Akteuren abschließt (vgl. A 4, S. 15) und damit unter den Organisationen einen „struggle“ auslöste (B 5, S. 38). Dieser Kampf findet nicht nur zwischen dem PDF und den NGOs „außen vor“ statt, sondern diffundiert in das nationale Netzwerk hinein: Die Kritik richtet sich auf „alte Organisationen“ in der Plattform, die ihre Dominanz ausspielen (vgl. B 5, S. 28).

In Ungarn zeichnen sich Parallelen in der Bildung des ungarischen Behindertennetzwerks ab. Die ungarischen NGOs im Behindertenbereich konnten bereits auf eine kooperative Zusammenarbeit zurückblicken, die ohne rechtliche Regelungen bestand. Die ungarische Plattform wurde von vier großen Organisationen gebildet, die als „nationale Organisationen“ fungierten. Kleine grassroot-Organisationen sind noch nicht vertreten, insofern sieht sich die Plattform der Kritik „von außen“ ausgesetzt: „we were critized a lot from the local level“ (C 1, S. 45). Zugleich befürchten kleinere Organisationen im ungarischen Disability Forum ihre „gewachsene“ Position durch den Beitritt zur nationalen Plattform zu verlieren. Das Ausmaß an notwendiger Überzeugungsarbeit zeigt, wie kritisch die NGOs der Herausbildung von Dachstrukturen gegenüber stehen. Es war „quite a lot of work to communicate that it is a good thing“ (C 1, S. 45). In Tschechien wird der Prozess als weniger problematisch beschrieben, nach anfänglichen Animositäten tritt der Nutzen der Plattformbildung deutlicher hervor. Förderlich waren hier erneut die bereits vor dem Beitritt vorhandenen Interessen, eine nationale Struktur zu schaffen (D 1, S. 69).

Die European Women´s Lobby (EWL) begann erst im Jahr 2000 und damit vergleichsweise spät, die Kontakte zu den Beitrittsstaaten aufzunehmen, bemühte sich aber um einen schnellen Aufbau (vgl. A 8, S. 23). Die EWL basiert ebenfalls auf der Struktur nationaler Plattformen, die Organisationen unter einem „protocoll of cooperation“ versammelt. Der Prozess führte aus Sicht des Netzwerks zu keinen Ausgrenzungsprozessen in den MOE-Ländern (vgl. ebd.). Die polnische Perspektive klassifiziert die Entstehung als konfliktbeladen, da die Organisationen im Feld erst überzeugt werden mussten: „It was not easy to make them more willing to build up a platform“ (B 4, S. 34). Insbesondere auf der lokalen Ebene wird der Nutzen einer solchen Plattform nicht gesehen. Auf nationaler Ebene wird der strategische Umgang mit dem Netzwerk betont: Es ist „better to be inside“, um sich weitere Einflussmöglichkeiten zu erschließen (ebd., B 4, S. 34). Die ungarischen Frauen-NGOs verweisen auf eigene Initiativen, eine Plattform zu bilden, die wiederum in das EWL eintrat. Die ungarische Women´s Lobby steht in Konkurrenz zu anderen nationalen Frauenorganisationen, die zum Teil bereits seit der sozialistischen Ära bestehen. Zwischen den Organisationen bestehen Rivalitäten, und der Kampf um die „Vorherrschaft“ ist noch unabgeschlossen (C 3, S. 54f.).

Die Tschechische Women’s Lobby gründete sich aufgrund der Regelung, dass nur eine Organisation in der Europäischen Women’s Lobby Mitglied sein kann. Die Gründung ist zügig verlaufen, offenbar aber auch konfliktreich (D 4, S. 75).

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die zivilgesellschaftlichen Praktiken in den mittel- und osteuropäischen Ländern spannungsreichen Modernisierungsprozessen unterworfen werden. Die traditionalen und „naturwüchsigen“ Organisationen, auch die Basisinitiativen und oppositionellen Bewegungen sehen sich - neben der notwendigen Entwicklung der Organisationen als soziale Dienstleister - mit dem zweckrationalen Imperativ konfrontiert, sich zur optimalen und effizienten Interessenvertretung in ein komplexes Gefüge einzuordnen, das komplexe bürokratische Strukturen, Verflechtungen und Abhängigkeitsproblematiken aufweist. Der Preis dieser „demokratischen Subordination“ kann dabei in der Abkopplung der eigenen Organisationsspitzen in die „Brüsseler“ Logik hinein bestehen. Die netzwerkinterne Delegation von Aufträgen nach oben kann sich dann in disziplinierende Unterwerfung unter die „europäische Rationalität“ verkehren. Modernisierung bedeutet immer auch Durchsetzung von universellen Mustern nationaler Strategien gegen partikularistische Identifikationen.

6 Abschließende Überlegungen

Am Ende unserer Überlegungen können wir zu den „Verheißungen der Dienstleistungsgesellschaft“ zurückkommen. Peter Gross versucht eine scharfe Grenzziehung zwischen Sozialpolitik als Einkommensverteilungspolitik und als Dienstleistungspolitik zu ziehen und hebt die Gefahr hervor, dass die Dienstleistungspolitik schnell an ihre Grenzen der Steuerbarkeit und Finanzierbarkeit kommt. Damit hat er früh die Steuerungsprobleme herausgearbeitet, die seit 30 Jahren den europäischen Sozialstaaten zu schaffen machen.

Zwei Gesichtspunkte sind aber seitdem noch deutlicher geworden. Die Vermarktlichung der sozialen Dienstleistungen als Steuerungsstrategie gerät ebenfalls schnell an Grenzen, weil nur die Dienstleistungen erbracht werden, die bezahlt werden können. In der Folge entsteht rasch eine starke Spaltung der Gesellschaft, die neue Legitimations- und Gestaltungsprobleme aufwirft. Der Modus der vermarkteten Dienstleistungserbringung koppelt sich von Teilen der Bedürfnisentstehung und Bedarfsermittlung ab. Deshalb ist die spezifische europäische Strategie der Durchsetzung der Marktprinzipien bei Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Teilbereichen – allerdings auch mit beachtlichen Preissteigerungen verbunden – durchgesetzt worden, bei den sozialen Dienstleistungen stößt sie allerdings schnell auf Grenzen.

Zum anderen aber gehören die sozialen Dienstleistungen zu einem erheblichen Teil zu den staatlichen Hoheitsaufgaben, die unter dem Primat von öffentlicher Sicherheit und staatlicher Legitimationssicherung stehen. Genau dieses Tätigkeitsfeld der europäischen Staaten befindet sich in einem Prozess erheblicher Ausdehnung, insoweit die Erfordernisse von governance immer mehr Bereiche (Bio-, Demografie-Lebensstilpolitik u. a.) zur Sicherung von Bestandsbedingungen der Gesellschaft in staatliche Steuerungszuständigkeiten einbeziehen. Bezogen auf die heilenden und helfenden Berufe hatte Gross von einer „therapeutischen Ideologie“ (1983, S. 160) gesprochen, die zur selbstwidersprüchlichen Grundlage wohlfahrtsstaatlichen Handelns zu werden droht.

Die aktive Einbeziehung der Organisationen sozialer Dienstleistungen in die europäische Politik wurde von diesen als Schritt ihrer Anerkennung auf der europäischen Bühne gewertet. Zugleich ist es aber ein Schritt zur Einbeziehung der sozialen Dienstleistungsproduktion in eine Politik umfassender Steuerung, nachdem der europäische Binnenmarkt etabliert war. Dieser steuert sich nach den eigenen Regeln selbst, die Politik muss stärker denn je – denn die Nationalstaaten haben ihre nationalökonomische Steuerungskompetenz verloren und auf europäischer Ebene kann es mit jedem Erweiterungsschritt stärker keinen Gegensteuerungsakteur mehr geben – Legitimationspolitik betreiben und dabei auch die Bestandsvoraussetzungen zivilgesellschaftlicher Akteure sichern. Weil die Dienstleistungserbringung sich gleichzeitig in einen vermarkteten und in einen nicht finanzierbaren Teil aufspaltet, ist dies besonders wichtig für den Teil der Organisationen, die sich tatsächlich sozial, also für die Armen engagieren. Während die Verheißungen der Dienstleistungsgesellschaft, dass in der Dienstleistungsproduktion Mitmenschlichkeit zumindest mit-hergestellt würde, im strikt vermarkteten Segment schnell verblassen, weil die Marktbeziehungen die alten Entfremdungserscheinungen der Tauschwertverhältnisse reaktivieren, ist das nicht vermarktete Segment den Imperativen der Loyalitäts- und Sicherheitspolitik unterworfen.

Die aus dem Prinzip der Selbstsorge (von Aristoteles bis Foucault) sich ergebenden Formen der Eigenarbeit, Selbsthilfe und Selbstorganisation hat schon Peter Gross den Verheißungen des staatlich betreuten Menschen entgegen gestellt. Woher die Kräfte und Energien für den Aufbau von Selbstorganisation angesichts einer Ausweitung der abhängigen Unterschicht und der Ausdünnung der Mittelschicht kommen können, ist unklar. Während die Wohlfahrtsverbände die auseinander treibenden Segmente von Dienstleistungsmarkt und Armenversorgung noch zusammenhalten und den Spagat zwischen lokaler „Widerstandsidentität“ (Manuel Castells) und Social Platform aushalten, werden massenhaft kommunal und lokal definierte Bürgerstiftungen gegründet, die für die, die innerhalb der Mauern wohnen, sorgen wollen.

Auch wenn damit die Verheißungen der Zivilgesellschaft nicht reaktiviert werden können, so ist die Gesamtlage nicht so, dass man verzweifeln müsste.



[1] Vgl. ausgehend von der Erkl. Nr. 23 des Anhangs des Vertrags von Maastricht (Amtsblatt C 191 v. 29.07.1992), KOM (96) 4443 endg., Amtsblatt C 281, 26.09.1996; die Betonung der Bedeutung der freiwilligen Dienste in der Erklärung Nr. 38 im Vertrag von Amsterdam, Amtsblatt C 340 vom 10.11.1997); die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses (WSA) zur „Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden und Wirtschafts- und Sozialpartnern“ (CES 1398/97), die Mitteilung „Die Förderung der Rolle gemeinnütziger Vereine und Stiftungen in Europa“ (KOM (97) 214 endg. v. 6.6.1997, die Stellungnahme des Ausschusses der Regionen „Die Rolle gemeinnütziger Organisationen – ein Beitrag zu einer europäischen Gesellschaft“ (98/C/180/10) sowie das Diskussionspapier der Kommission zum „Ausbau der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Kommission und NROs“ vom Januar 2000 (KOM (2000) 11).

[2] Vgl. hierzu die Feststellung von Habermas 1998, S. 460, „dass die zivilgesellschaftliche Peripherie gegenüber den Zentren der Politik den Vorzug größerer Sensibilität für die Wahrnehmung und Identifizierung neuer Problemlagen besitzt."

[3] Ähnlich führt Habermas aus, dass zivilgesellschaftliche Organisationen "Probleme nicht nur wahrnehmen und identifizieren, sondern auch überzeugend und einflussreich thematisieren, mit Beiträgen ausstatten und so dramatisieren, dass sie vom parlamentarischen Komplex übernommen und bearbeitet werden." (Habermas 1998, S. 435; Hervorh. i.O.)

[4] Vgl. zu diesem Gedanken auch Anheier et al. 2001: "Second, only 'global civil society' can be posed as a counterweight to 'globalisation'." und Pianta, der die transnationale Formierung der Zivilgesellschaft als eine "globalisation from below" (Pianta 2001, S. 171) bezeichnet. Diese ‚Globalisierung von unten’ stelle dem neoliberalen Globalisierungsprojekt gleichsam ein anderes Globalisierungsprojekt, das der Globalisierung von Rechten und Pflichten, gegenüber (ebd., S. 171).

[5] Wenn Richter feststellt, dass die Wohlfahrtsverbände ihr zivilgesellschaftliches Potenzial aus der Verankerung auf lokaler Ebene schöpfen, ist ihm zuzustimmen. Daher erscheint gerade die Vernetzung im Hinblick auf das zivilgesellschaftliche Potenzial adäquater als die von Richter diskutierte Option der ‚Expansion’ der Verbände; vgl. hierzu Richter 2004, S. 23.

[6] Vgl. hierzu auch Rometsch 2000, S. 8, der mit Blick auf die Kooperation zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren und der Kommission im Bereich der Beschäftigungshilfe feststellt: „Zur Stützung der These des echten Partners lassen sich sehr viel weniger Belege im Rahmen der europäischen Diskussion finden. Das Selbstverständnis der freien Wohlfahrtspflege scheint grundsätzlich über das ihr von Seiten der EU zugeordnete Beschäftigungsparadigma hinauszugehen.“ Weiterhin kommt er in Bezug auf die finanzielle Abhängigkeit europäischer Dachverbände von der Europäischen Kommission zu dem Schluss: „Manche Dachverbände des Dritten Sektors können als „Claqueure“ der Kommission bezeichnet werden, da sie zu 100% durch Mittel aus Brüssel finanziert werden. Faktum ist, dass ein Teil dieser Dachverbände über keinen echten Unterbau verfügt, keine auf lokaler Ebene verwurzelten Strukturen repräsentiert, somit kein Mandat hat und aufgrund der finanziellen Abhängigkeit von der Kommission zu keiner unabhängigen Interessenwahrnehmung auf europäischer Ebene in der Lage ist.“ (Rometsch 2000, S. 14).

[7] Diese wurde im Rahmen der Projekte „Netzwerke der Sozialen Arbeit in Europa“ (2001-2003) sowie „Integration oder Abwehr? Mittel- und osteuropäische Nichtregierungsorganisationen im Integrationsprozess“ (2003-2005) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Päd. Institut, durchgeführt und mit einer Dissertation abgeschlossen (vgl. Lauer 2005). Die folgenden Zitate sind den in den Projekten geführten Experteninterviews mit Vertreter/innen deutscher Wohlfahrtsverbände sowie europäischer Netzwerkakteure entnommen.

[8] Hierauf deutet beispielsweise die Feststellung eines/einer Vertreter/in eines kirchlich-konfessionellen Familiennetzwerkes hin, dass die eigene Organisation „unter den Bedingungen einer NGO arbeitet“ (C 2, 8: 5-6). Hieraus kann geschlossen werden, dass sich die Organisation eben nicht als NGO versteht, sondern nur im Hinblick auf die Arbeitsweise einer NGO vergleichbar ist; vgl. hierzu auch C 2, 8: 8: „Eine lutherische Kirche in Skandinavien oder eine orthodoxe Kirche versteht sich als solches nicht als Zivilgesellschaft oder als NGO.“

[9] Vgl. hierzu Arbeitsgemeinschaft der Verbände Sozialer Organisationen (AG WRZOS) 2002.

[10] Hier zeigen sich möglicherweise ebenfalls Parallelen zur Situation nach der deutschen Wiedervereinigung; vgl. hierzu Schneider 1992, S. 77: „[…] wurde der Paritätische in der DDR […] von vielen neu entstehenden Initiativen und Organisationen Sozialer Arbeit und insbesondere von der Selbsthilfe als der Spitzenverband Freier Wohlfahrtspflege identifiziert, unter dessen Dach es möglich ist, frei und selbstbestimmt Soziale Arbeit zu betreiben. In den Kontakten zu Initiativen der Sozialen Arbeit in der DDR zeigte sich, dass der Paritätische mit seinen dezentralen und demokratischen Strukturen, seinen Prinzipien der Offenheit, Vielfalt und Toleranz und mit seiner konsequenten Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips als ein attraktiver Partner gesehen wird, der den Bedürfnisse der Menschen in der DDR nach weitestgehender Selbstbestimmung entgegenkommt.“ Vgl. hierzu auch Hamburger et al. 2004, S. 65, 66.

[11] Eine ExpertInnenbefragung von VertreterInnen europäischer Netzwerke sowie mittel- und osteuropäischer Nichtregierungsorganisationen bildet die Grundlage des folgenden Textes (vgl. Stauf/Lauer 2005). Diese Interviews hatten zum Ziel, organisationsinternes Wissen über die Art und Weise des netzwerktypischen Integrationsprozesses zu erheben und gleichzeitig die von den befragten Personen vorgenommene akteursspezifische Evaluation kennen zu lernen. Als „akteursspezifische Evaluation“ werden die Deutungsmuster und die subjektiv interpretierten Erfahrungen verknüpft mit den jeweiligen Interessenspositionen bezeichnet. Die 26 Interviews wurden in Brüssel mit Vertretern nationaler Netzwerke und Verbände durchgeführt: Vertreter des WSA, der Netzwerke der Kommission (Interviews A1–A8), Warschau (Interviews B1-B6), Budapest (Interviews C1-C7) und Prag (D1-D5).

[12] Die MOE-Akteure nehmen demgegenüber das Informationsgefälle erstaunt zur Kenntnis: Sie können in Europa mit ihrem Wissen überraschen und mit ihrer Fachlichkeit beeindrucken, sie sehen aber die eigene Europaarbeit durchaus selbstkritisch: Die Beteiligung wird als zu schwach, die mangelnden Sprachkompetenzen als hinderlich eingeschätzt sowie die Entfernung zu Brüssel problematisiert (vgl. A 4, S. 16). Auch im Hinblick auf die Beteiligung an europäischen Netzwerken wird kritisch reflektiert, da die Vernetzung erst allmählich als Kapital für die Arbeit auf der nationalen Ebene erkannt wird: „we stopped to be ashamed and start to discuss“ (B 1, S. 28).

[13] Dies trifft wohlgemerkt nur auf Netzwerke zu, die dieser Finanzierung unterliegen. Netzwerke wie z.B. Caritas Europa weisen aufgrund ihrer Geschichte und internationalen Verbandsstruktur eine breite Mitgliederstruktur auf und unterhalten langjährige Kontakte in die mittel- und osteuropäischen Staaten. Auch thematische Netzwerke wie FEANTSA integrierten seit den 90er Jahren - trotz einer Kommissionsförderung - Mitglieder aus den MOE-Staaten. Für diese Netzwerke stellte die Integration neuer Mitglieder durch den Beitritt zumindest kein „Rekrutierungsproblem“ dar.

[14] Dabei muss unterschieden werden zwischen den typischen EU-Netzwerken, den Familiennetzwerken (wie Caritas International oder Caritas Europa) und den internationalen Vereinigungen, die unabhängig von der EU existieren, teilweise schon sehr lange arbeiten und in denen Mitglieder aus den staatssozialistischen Ländern schon länger vertreten waren. In den hier referierten Aussagen spiegeln sich vor allem die EU-Netzwerke.

[15] Dies trifft ebenfalls auf Organisationen aus anderen europäischen Ländern zu, da auch in “reichen Mitgliedsstaaten” durchaus ressourcenschwache Organisationen der Zivilgesellschaft bestehen, für die eine europäische Partizipation kaum umzusetzen ist.

[16] Ebenso eine europäische Netzwerkvertreterin: „it takes time for to participate fully“(A 5, S. 17).

[17] Ein deutscher Netzwerkakteur schildert sein Unbehagen mit der vordergründigen problemlosen Integration. In seiner Einschätzung verzichten die neuen Mitglieder auf der formellen Ebene gegenüber den europäischen Partnern auf ihre Kritik, beschweren sich aber informell über den Umgang (A 2, S. 10).

[18] Diese Erfahrungen werden oft nationalen Entwicklungen zugeschrieben: „austrian empire“ (D 3, S. 73) oder die kolonialistische Haltung einer Akteurin aus Großbritannien (B 4, S. 35).

[19] Ohne die Situation in Deutschland als eine „bessere“ bezeichnen zu wollen, weisen die Aussagen deutscher Akteure eher eine strategisch-zurückhaltende Haltung gegenüber den als zusätzliche Last empfundenen europäischen Strukturen auf.

[20] Der Befragte vermutet, dass das EAPN möglicherweise bereits andere NGOs angesprochen hatte, aber selbstbewusstes Auftreten ermöglichte dann den gemeinsamen Aufbau des tschechischen Armutsnetzwerkes (vgl. D 2, S. 71).

Literatur

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Notes on Authors

Dr. Franz Hamburger is Professor for Social Pedagogics at the Institute of Educational Sciences, Johannes Gutenberg-University in Mainz, Germany. He has completed his studies in Sociology, Philosophy und Educational Sciences at the Universities in Heidelberg and Cologne with a Masters Degree in1972 and has gained his PhD in Educational Sciences in1975. Since 1978 he is teaching at Mainz University. His teaching and research interests are: Migration, Minorities, International Comparison in Social Work and Social Pedagogics. He is a long-standing member of ECCE. 1992 Co-founder of the Institute for Research in Social Pedagogics in Mainz e.V. (ism).

Dr. Felicia Lauer has studied Protestant Theology, German Philology und Educational Sciences. She has worked as Assistant Lecturer (1998-2000) at the Theological Faculty, University of Neuchâtel, Switzerland and from 2000-2005 as Scientific Co-worker in various Research Projects (Direction: Prof. Dr. Franz Hamburge ) at the Institute of Educational Sciences, University ofMainz. She gained her PhD in Educational Sciences in 2005 and is now working at the office of the Chancellor of the University of Mainz.

Eva Stauf, Diplom-Pädagogin, 2001-2005 Scientific Co-worker in two Research Projects at the Institute of Educational Sciences, University of Mainz (Direction: Prof. Dr. Franz Hamburger). Since 2002 she has worked as Scientific Co-worker at the Institute for Research in Social Pedagogics in Mainz e.V. (ism) and from 2006 as Scientific Co-worker and PhD-student at the Institute of Educational Sciences, Section Social Pedagogics, at the University of Mainz.

Author´s Address:
Prof Dr Franz Hamburger / Dipl-Päd Eva Stauf / Dr Felicia Lauer
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Pädagogisches Institut
Colonel-Kleinmann-Weg 2
D-55099 Mainz
Deutschland
Tel: ++49 6131 39 22918 / ++49 6131 39 23010 / ++49 6131 39 23010
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